Joseph Sharp: Quitting Crystal Meth
Kapitel 6 S. 88 von 99

Suche Dir einen passenden Psychotherapeuten

Wenn Du noch nicht damit angefangen hast, suche Dir spätestens jetzt einen Psychotherapeuten, ergänzend zur Drogenberatung. Für die erste Zeit hatte ich empfohlen, eher mit einem Drogenberater oder einer Drogenberaterin zu arbeiten, bzw. mit jemandem, der sich um die ganz akuten Probleme nach Deinem Entzug kümmert, etwa mit dem Umgang mit Suchtdruck, körperlichen Problemen und dem Erlernen von Grundfähigkeiten für ein Leben ohne Crystal. Aber nun befindest Du Dich auf dem Weg hin zu einer soliden Besserung und stabilen Verfassung – in der es jetzt hauptsächlich um emotionale und persönliche Probleme geht.

Durch Meth konntest Du emotionalem Stress leicht entkommen. Ein paar Sekunden nur, und alles war wie weggewischt. Alle Sorgen verschwunden, Probleme aufgelöst. Crystal-Konsum legte den Schalter sofort von Verzweiflung auf enorme Freude um. Das Problem, mit dem Du heute konfrontiert bist ist, wie Du jetzt mit diesen Gefühlen umgehst, denen Du früher so leicht entfliehen konntest. Wie bewältigst Du jetzt Deinen Kummer, ohne zu konsumieren? Das ist eine Frage, die alle guten Therapeut/innen mit ihren Klient/innen diskutieren.

Wie solch eine Therapie aussieht, hängt von den unterschiedlichen Ausrichtungen und auch den individuellen Therapeutinnen und Therapeuten ab. In Deutschland hast Du normalerweise auch die Möglichkeit, einige Sitzungen mit einem Therapeuten auszuprobieren um zu sehen, ob Ihr zusammen passt. Wie läuft so eine Therapie ab? Die meisten Therapeuten, die sich mit cleanen Ex-Konsumenten beschäftigen, arbeiten nicht so sehr mit Deiner Vergangenheit (Jugend, Kindheit), weil dies bei Suchtgefährdeten oft keine Besserung bringt sondern auch das Gegenteil bewirken kann. Dies ist meiner Meinung nach auch sinnvoll. Das Aufarbeiten von emotionalen Konflikten während der Kindheit ist nicht immer die richtige Wahl. Obwohl diese Art der Therapie hilfreich sein kann, bringt sie nicht immer nennenswerte Veränderungen im Erwachsenenalter. Wenn man sich intensiv mit der Vergangenheit auseinandersetzt, besteht auch die Gefahr, dass alte Wunden wieder aufgerissen werden, die sonst eigentlich verschlossen geblieben wären.

Ich persönlich bevorzuge Verhaltenstherapie. Hier werden Lösungsansätze erarbeitet, um die alten Verhaltensweisen zu ändern, die zum eigentlichen Unglück und zum Konsum geführt haben. Um etwas zu verändern, müssen Ex-Konsument/innen neue Lebenskompetenzen lernen und anwenden können, um neue Verhaltensmuster zu stärken. Aber es ist Deine individuelle Entscheidung, welcher Ansatz zu Dir passt und wie tief Du in Deine Vergangenheit zurückgehen willst oder auch nicht. Die Chancen, einen passenden Therapeuten oder eine Therapeutin zu finden, stehen gut. Wenn Du nicht versichert bist, Dir keinen Therapeuten leisten kannst, oder Du lange Wartezeiten in Kauf nehmen musst, suche nach Angeboten, die kostenlos in Deiner Umgebung verfügbar sind oder nach Einrichtungen, die Dich bei der Suche nach passenden Hilfen unterstützten können.