Neben Erschöpfung und einem allgemeinen Gefühl von Niedergeschlagenheit wirst Du sehr wahrscheinlich auf einer Gefühlsachterbahn unterwegs sein. Bei Werbung im Fernsehen zu heulen ist sehr verbreitet. Ein bestimmtes Lied kommt im Radio und schon rinnen die Tränen. Du sprichst mit jemandem über so etwas lächerliches wie das Wetter und wirst von Gefühlen übermannt. Das ist völlig normal – vor allem in den ersten 2 Wochen, aber eventuell auch über Monate hinweg.
Denk dran, Dein Gehirn wurde chemisch traumatisiert. Es muss eine Menge passieren, damit es wieder in einen ausgeglichenen Zustand versetzt wird. Die emotionale Intensität sollte mit der Zeit weniger werden, sie kann aber durchaus auch noch eine Weile so bleiben – so wie bei mir: Während der ganzen ersten 6 Monate fing ich total schnell an zu weinen, vor allem wenn ich über mein Abstinent-werden sprach oder über die Menschen, die ich liebe.
Wutausbrüche sind weit verbreitet in den ersten Wochen. Wenn man erstmal aus seiner eigenen Dunkelheit rauskommt, passiert es natürlich leicht, dass man überall Probleme sieht und alles kritisiert oder verurteilt.
Eine Ex-Userin - in ihrem ersten cleanen Monat - erzählte mir: "Wenn ich nicht gerade total erschöpft bin, dann bin ich so gereizt und angespannt, dass ich Dir glatt Deinen Kopf abreißen könnte. Es ist total lächerlich und ich weiß das, aber ich kann nicht anders. Ständig entschuldige ich mich anschließend, was noch anstrengender ist."
Sich für unkontrolliertes Verhalten im Entzug zu entschuldigen und anderen einiges zu erklären, ist die richtige Strategie. Ich denke, es macht Sinn, Andere auf mögliche plötzlichen Wutausbrüche vorzubereiten. Es ist notwendig, Deinen Freunden und Deiner Familie zu erzählen, dass Du wütend auf alles und auch gereizt bist, weil Du gerade mit Deinem Entzug zu tun hast. Es sind Begleiterscheinungen des Entzugs. In solchen Momenten bist Du nicht "Du selbst", bzw. Du schlägst vielleicht verbal um Dich und kannst Deine Reaktionen und Impulse schlecht kontrollieren. Dein Gehirn befindet sich im Ausnahmezustand. Hier sind also Deine Möglichkeiten: Erkläre Deinem Umfeld so gut wie möglich, in welcher Phase Du Dich befindest und dass Du extrem und unkontrolliert reagieren kannst. Entschuldige Dich ruhig schon mal im Voraus. Versuche einfach Dein Bestes.