Joseph Sharp: Quitting Crystal Meth
Kapitel 1 S. 8 von 99

Ist ein stationärer Entzug und eine Reha sinnvoll?

Ja, auf jeden Fall! Wenn Du die Möglichkeit hast, einen Entzug (stationär) und anschliessend eine Reha (stationär oder ambulant) machen zu können, dann mache es auch! Ich nenne Dir mal vier gute Gründe:

Sofortiger Abstand von Deinem Konsumumfeld: In den ersten Tagen Deiner Abstinenz ist es wichtig, dass Du Deinem Konsumumfeld fernbleibst. Das betrifft Deine konsumierenden Freundinnen und Freunde ebenso wie den Zugang zu Dealern, aber auch alle äußeren Umstände, die Dich an den Konsum erinnern und Dein Verlangen wecken.

Medizinische Überwachung während des Entzugs: Der Crystal-Entzug ist leichter, wenn Du ihn im medizinischen Umfeld machst. Je nach Bedarf können Dir dort beispielsweise Medikamente verordnet werden, um die Entzugssymptome etwas abzumildern.

Beratung und Unterstützung durch unterschiedliche Berufsgruppen in der Einrichtung: Im stationären Entzug und in der Reha unterstützt Dich medizinisches, pädagogisches und therapeutisches Personal (Psychotherapeuten, Suchtmedizinerinnen, Sozialberater etc.). Du wirst bedarfsgerecht begleitet in den ersten Phasen Deines Heilungsprozesses. Und Du wirst auf den Wiedereinstieg in ein drogenfreies Leben nach Deinem Aufenthalt vorbereitet. Unterstützung jeder Art - und insbesondere auch in Form von Gruppensitzungen - ist für die meisten Abhängigen wichtig.

Erlernen neuer Fähigkeiten und Kompetenzen, die Du für ein cleanes Leben brauchst: Die meisten Hinweise und Strategien, die Du in diesem Text finden wirst, werden in einer Reha intensiv behandelt, erklärt und eingeübt. Das braucht Zeit, um diese Dinge zu verinnerlichen. Eine Reha wird Dir ein starkes Fundament für Dein zukünftiges cleanes Leben geben.

Man muss jedoch wissen, dass die stationäre Reha auch ein Problem in sich birgt: Wenn Du raus kommst, wirst Du in aller Regel wieder in Deinem alten Umfeld landen. Du wirst wieder mit all den Problemen und Versuchungen konfrontiert sein, genau wie vorher. Zwar wird man in der Reha ganz intensiv auf die "Zeit danach" und den Umgang mit riskanten Situationen und Krisen aller Art vorbereitet. Aber in der Realität ist es dann leider doch wieder etwas ganz anderes und viel schwieriger als erwartet. Du wirst Dich wieder und wieder anstrengen und all die Dinge trotzdem beachten müssen, die Du hier noch lesen wirst. Was ich sagen will, ist: Die Reha und gegebenenfalls der stationäre Entzug vorher sind keine Allheilmittel. Verstehe sie eher als die ersten Stationen, die Du auf dem Weg Deiner Heilung bewusst ansteuerst. Ein qualifizierter Entzug und eine Reha sind ganz wunderbare erste Stationen.

Nochmal: Schätze Dich glücklich, wenn Du die Möglichkeit hast, eine Reha machen zu können. In den USA gibt es einige Krankenversicherungen, die beispielsweise nur drei bis fünf Tage stationären Entzug bezahlen und danach bestenfalls eine ambulante Weiterbehandlung. Nach meiner Überzeugung ist eine stationäre Reha bei einer Crystal-Abhängigkeit besser geeignet als eine ambulante Reha. Ich würde Dir ans Herz legen, eine stationäre Therapie anzunehmen, wenn sie Dir angeboten und bezahlt wird. Eine ambulante Reha wäre ebenfalls eine Option. Als Vorteil könnte man hier sehen, dass man sofort und stetig mit der Herausforderung des Clean-Bleibens konfrontiert ist. Dennoch: Wenn man die Vor- und Nachteile gegeneinander abwiegt, würde ich die stationäre Reha bevorzugen.

Wenn es möglich ist: Versuche, eine Reha außerhalb Deiner Stadt zu finden. Wieso? Je weiter Du von Deinem alten Konsumumfeld entfernt bist, desto besser. Liegt die Reha woanders, dann kennst Du dort keine Dealer und keine noch regelmäßig Konsumierenden. Der neue Ort hat nur einen Zweck und eine Bedeutung für Dich – nämlich Dir Unterstützung für Deinen Heilungsprozess zu bieten.

Ich hatte davon geschrieben, dass man nach der Reha gleich wieder in seinem alten Umfeld landet. Lässt sich das - zumindest für das besonders schwierige erste Jahr - vermeiden, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Du clean bleibst. In den USA gibt es in den meisten Städten sogenannte „Sober Living Houses“(„Sober“ bedeutet hier clean oder drogenfrei). Das sind Wohngemeinschaften oder Wohneinrichtungen mit unterschiedlichen Konzepten, Zielgruppen und Hausregeln. Versuche, in Deinem Land drogenfreie Wohnangebote oder ähnliches zu finden. Das kann eine große Hilfe für Dich sein.

Es gibt eine ganze Reihe von Leuten, die es ohne Reha geschafft haben. Ich selbst gehöre auch dazu. Wenn eine stationäre Therapie für Dich keine Option ist, dann ist das eben so. Du kannst es trotzdem schaffen, wenn Du den Entschluss gefasst hast, clean zu werden.